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Ein Markt im Trendrausch

Klein, fein, Nische – das war lange der Wohlfühl-Erfolgsraum, in dem sich der Serviced-Apartment-Markt in Deutschland frei entwickeln konnte. Ein Stück weit ist dies vorbei. Im Jahr 2018 ist das Segment mit aller Wucht seiner Nische entwachsen.

Blick ins Studio im Apartment der Zukunft © ADZ

Blick ins Studio im Apartment der Zukunft © ADZ

Die Merkmale Wohnlichkeit und Individualität, größerer Raum, flexibler, persönlicher Service und professionelle Standards bei deutlich geringeren Preisen als in Hotelzimmern sind zusammengenommen das Alleinstellungsmerkmal von Serviced Apartments. Gerade in der heutigen Zeit sind diese Attribute für das Wohnen auf Zeit wichtiger denn je. Dabei geht es jüngst nicht mehr nur um temporäre Unterkünfte für Geschäftsreisende, die projektbezogen in einer anderen Stadt arbeiten. Es geht um neue Lebensabschnitte im beruflichen wie privaten, um neue Lebensformen und damit neue Wohnformen.

„Wir bauen nicht mehr ein Haus für das ganze Leben“, drückt es die Zukunftsforscherin Oona Horx-Strathern aus. Sondern weil „wir länger leben und viel mehr verschiedene Lebensphasen haben, brauchen wir auch verschiedene Lebensräume für die verschiedenen Lebensphasen.“ Die Megatrends unserer Gesellschaft, die zeitlich begrenzten Lebensphasen und angespannte Wohnungsmärkte machen Serviced Apartments somit zu einer optimalen Lösung für ein Zuhause auf Zeit.

Neue Angebotsvielfalt, hybride Welten

Auf der Angebotsseite lassen die attraktiven Renditen in diesem Segment gleichzeitig immer mehr Projektentwickler aus anderen Bereichen und mit diversen, teilweise gegensätzlichen Konzepten in das Marktsegment der Serviced Apartments eintreten. Dies führt zu einer neuen Vielfalt im Segment, die durch innovative Konzepte aus den Bereichen Mikrowohnen, klassische Hotellerie, Sharing-Economy sowie Co-Working und Co-Living geprägt ist. Teilweise werden diese verschiedenen temporären Wohnformen und ihre Zielgruppen auch vermischt. So entstehen hybride Konzepte unter einem Dach oder in einem ganzen Quartier. Oder wie es Christoph Santin, Projektkoordinator der neuen Marke Vienna House R evo, ausdrückt: „Es gibt keine klar definierte Zielgruppe, da jeder unser Gast sein könnte. Wir weigern uns, uns auf einzelne Generationen zu fokussieren.“ Vienna House R.evo plant in München ein erstes Haus mit 607 Einheiten. Ein weiterer neuer Marktakteur mit hybridem Konzept ist The Student Hotel. Das erste Objekt der Gruppe in Deutschland entsteht in Dresden mit 306 Einheiten.

Das Wachstum und die neue Vielfalt bedeuten aber auch: Wer als Marktakteur weiter in der Nische verharren will, den wird der Markt überrollen. Es geht von nun an nicht mehr um das Wachsen im Kleinen, sondern darum, sich einen festen Platz auf dem großen Volumenmarkt zu sichern. Ein Markt mit einer großen Palette an neu und anders denkenden Investoren- und Betriebstypen, der stetig wächst. Das Wachstum und der Erfolg des Konzepts der Serviced Apartments spiegeln sich auch in den aktuellen Zahlen wider. Mit Stand März 2018 zählt der Serviced-Apartment-Markt fast 600 Häuser, die mindestens 15 Einheiten in einem Gebäude bieten Dies entspricht insgesamt rund 33.400 Einheiten. Das Segment generierte 2017 rund 14,2 Mio. Übernachtungen und damit 2,7 Mio. Übernachtungen mehr als im Vorjahr – nach wie vor primär mit Geschäftsreisenden. Und die durchschnittliche Auslastungsdauer? Die ist im letzten Jahr mit 27 Nächten zwar niedriger als im Vorjahr, aber der Longstay bestimmt nach wie vor das Segment.

Schneller sein, statt organisch Wachsen?

Living Hotels, Adina Apartment Hotel sowie Aparthotel Adagio und Adagio Access. Markenbildung besitzt inzwischen einen hohen Stellenwert im Serviced-Apartment-Segment. Bei Projektentwicklungen ist sie heutzutage ein fester Bestandteil geworden. So werden zukünftig diverse neue Marken und mit dem entsprechenden Roll-out dieser auch diverse neue Kettenbetriebe entstehen. Bis 2020 hat Apartmentservice die Eröffnung von weiteren 13.900 Einheiten in Deutschland erfasst. Dies allein entspricht einem Marktwachstum von rund 42 Prozent, wobei davon auszugehen ist, dass noch weitere Projekte in der Pipeline sind, deren offizielle Ankündigung aussteht. Es wird in der Folge gesucht, gekauft, schnell angekündigt und oftmals die Eröffnung von mehreren großen Häusern gleichzeitig anvisiert. Schneller sein, statt organisch Wachsen scheint momentan vielerorts der herrschende Trend zu sein. Und auch Sharing-Anbieter wie Airbnb handeln nach dieser Devise. Auf dem Weg zum größten Übernachtungs- und Eventkonzern der Welt wollen und können sie als OTA bereits viele Anbieter auf ihre Seite ziehen. Bleibt noch das ausbaufähige Interesse auf Gastseite. Denn laut einer Studie von VDR, DRV und GfK sind Sharing-Economy-Angebote bei Business Travellern aktuell noch ohne Relevanz. Private Vermietungsangebote für die Übernachtung nehmen nur 1,3 Prozent der Geschäftsreisenden aus Unternehmen ohne Reiserichtlinie in Anspruch. Es bleibt also spannend, wie die neuen Impulse den Markt verändern.

Trends im Segment sortiert hinterfragen

In jedem Fall darf das Segment mit großer Investitions- und Projektlust weit in die Zukunft blicken: Für 2030 prognostizieren Experten eine Verdreifachung auf 100.000 Einheiten bei einem Apartmentanteil innerhalb der Hotellerie von 10 Prozent. Es ist also die Zeit gekommen, die Trends im Markt sortiert zu hinterfragen, sich auf Kernkompetenzen zu konzentrieren, die erfolgreichen Serviced-Apartment-Faktoren nicht zu verlieren. Für Projektentwickler, Betreiber und Investoren in diesem wachsenden Segment bedeutet das zugleich, die bisherigen Schablonen des Serviced Apartments neu anzulegen. Beispiel Küche: Ist dies künftig noch ein Muss-Kriterium, wenn sich (die neuen) Longstay-Gäste eine Gemeinschaftsküche wünschen? Beispiel Aufenthaltsdauer: Ab wann sprechen wir künftig von Longstay, wenn es für die einen bereits 14 Nächte sind und für die anderen ein halbes Jahr? Wer will wirklich noch Longstay? Und ist alles nur noch eine Frage des Brands oder der Gemeinschaftsflächen und nicht mehr allein des Produkts? Groß werden heißt, genau hinzuhören, den Markt zu verstehen und zu gestalten.