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„The Trend is not your friend“

Bisher wuchs das Segment gigantisch. Infolge sah Max Schlereth, CEO der Living Hotels der Derag Gruppe, seit langem die Gefahr von Überangeboten und wurde nie müde, das zu betonen. Wir sprachen mit ihm im Februar 2020 und noch einmal kurz nach Corona-Ausbruch über nahende Quadratmeter-Überschüsse und die Nomadentum-Illusion.

Max Schlereth auf einer Wendeltreppe © Living Hotels

Max Schlereth © Living Hotels

Herr Schlereth, die Living Hotels waren 1982 die ersten Serviced-Apartment-Anbieter in Deutschland. Wenn Sie zurückblicken, was war 1982 genauso wie heute?

Der Mensch trotz heute größerer Zahl an Technologien. Der Markt hingegen war damals nicht vorhanden. Es gab einen Mietmarkt, der regulativ auf längere Aufenthalte ausgerichtet war, und einen Hotelmarkt, der für zwei, drei Nächte gebaut war.

Durch den Menschen, der wegen einer Pandemie nicht mehr reisen kann, sind im Frühjahr 2020 die Märkte zusammengebrochen. Welchen Einfluss wird Corona auf das Segment haben?

Nichts wird mehr so sein wie es war. Dass wir im Markt vor einer Zeit mit signifikanten Umsatzeinbrüchen stehen, damit habe ich seit längerem gerechnet. Allerdings nicht so und nicht in meinen kühnsten Vorstellungen in  dieser Dimension, Dynamik und Intensität.

Wer wird wie zurechtkommen? Wie begegnen Sie der Lage?

Vermutlich bekommen zuerst die Schwierigkeiten, die hochfinanziert sind und hochdatierte Pachtverträge bedienen müssen. Für uns galt zur Krise, die Betriebe maximal herunterzufahren.  Ich bin derzeit zuversichtlich, dass wir durch die Krise kommen, weil für uns die Gesundheit des Unternehmens schon immer vor Wachstum stand.

Wenn wir Corona für den Moment außen vor lassen: Mit welchen großen Marktherausforderungen ist das Segment konfrontiert?

Serviced Apartments sind nicht auf einmal als Renditemodell entdeckt worden und gerade in den letzten drei Jahren eine Antwort auf die Mietpreisbremse. Es gibt bei den Investoren einen hohen Anteil an klassischen Immobilienakteuren, die vorher im Wohnimmobilienbereich tätig waren und dem restriktiven Mietmarkt mit einem ähnlichen Produkt entkommen  wollen. Das Ganze ergänzt um niedrige Zinsen, viel Kapital und ein Regulativ, das die Preissignale im regulären Wohnmarkt unterdrücken will. Das Kapital sucht sich einen anderen Weg, und Serviced Apartments und Mikroapartments sind hier eine Lösung.

Was ist daran für das Segment das Problem?

Beim Serviced-Apartment-Markt muss man den Wohnungs- und Hotelmarkt zugleich betrachten.  Momentan richten sich die nachgefragten Quadratmeter nach der Demografie: Die ältesten Babyboomer leben in großen Wohnungen, die Jungen suchen Wohnraum. Wir haben eine extreme Nachfrage nach Quadratmetern bei niedrigen Zinsen und damit explodierende Preise.  Doch sobald die großen Wohnungen frei werden, gibt es einen Quadratmeter-Überschuss, und die Mietnot wird kein Thema mehr sein. Städte wie Berlin sorgen zudem dafür, dass nichts mehr gebaut wird, Serviced Apartments gelten als Möglichkeit, als Mischelement realisiert zu werden.  Das heißt, es gibt niedrige Zinsen, eine Politik, die Investitionen in Wohnungen verhindert, und so einen Investitionsschub in Serviced Apartments. Im Hotelmarkt ist es das Gleiche und noch einfacher: niedriger Zins, Renditemöglichkeiten, genügend Betreiber, die bisher glaubten, dass alles immer weiter nach oben geht und hohe Mieten zahlten. Insgesamt haben wir so ein überproportionales Angebotswachstum . Und gerade Mikroapartments werden in zehn Jahren keine Nachfrage mehr haben, weil die großen Wohnungen freigeworden sind.

Serviced Apartments könnten trotzdem als „Sandwich“ zwischen Wohnen und Hotel mehrheitlich profitieren.

Ja, es ist und bleibt aber eine Nische, in die gerade so viel Angebot hineinkommt, dass sich definitiv ein Verdrängungswettbewerb vollziehen wird. Entscheidend wird dann die Lage sein, nicht die Ausstattung, die kann man immer anpassen.

Ist der Effekt der geänderten Wünsche nach temporären Wohnformen nicht groß genug?

Daran glaube ich nicht  Das temporäre Wohnmodell wird temporär bleiben. Das lebenslange Nomadentum ist eine Illusion. Es ist nur für einen gewissen Lebensabschnitt interessant, ansonsten ein begrenztes Bedürfnis. Ich glaube auch nicht, dass ein Produkt ein lebenslanger „Mindset-Geber“ sein kann.

Wie lange noch werden Serviced Apartments Problemlöser sein?

Je mehr die nachgefragten Quadratmeter sinken, desto weniger relevant werden sie werden, weil es ein Überangebot gibt und die Lage entscheidet. In zehn Jahren werden wir dies spüren, in 20 wird der Effekt in voller Ausprägung da sein. Eine Unbekannte bilden hier die starken Zuzüge: Wenn diese zu wirtschaftlicher Produktivität führten, könnte dies positiv für die Nachfrage nach Mikroapartments sein.

Welche Standorte waren für Serviced Apartments schon vor der Krise schwierig?

Es gibt eigentlich keinen Standort, der nicht geht. München ist stark im Wettbewerb, aber hier gibt es immer noch etwas Platz. Das Problem sind eher die hohen Finanzierungssummen. Es ist kein Geheimnis, dass ich mich in den letzten vier Jahren mit Finanzierungen eher zurückgehalten habe.

Wie ist Ihr Stand in Hamburg? Wie der, über Pacht- bzw. Managementverträge zu wachsen?

In Hamburg realisieren wir gerade hinter den Colonnaden ein Hotel mit rund 80 Einheiten. Pacht- bzw. Managementverträgen stehen wir noch immer positiv gegenüber. Aber wir müssten bei den derzeitigen Baukosten Einnahmen darstellen, die wir als Betreiber unattraktiv finden.

Aber Sie könnten als Immobilienunternehmer auch den Exit Shortstay oder Wohnung wählen. Warum mahnen Sie, auch vor Corona, zur Besonnenheit?

Es gab vor Corona den Hype, aber auch den Herdentriebs-Effekt: Der Trend in der Wirtschaft zu großen Erzählungen zeigt sich auch im Serviced-Apartment-Segment . Es tut mir leid, dass ich im Hype zur Wachsamkeit mahne, aber ich habe vor dieser aktuellen auch schon zwei Krisen miterlebt.

Sie könnten bald die Marktführerschaft verlieren, weil andere so stark wachsen. Inwiefern macht Ihnen das etwas aus?

Ich weiß gar nicht, dass wir sie verlieren. Glauben Sie mir, es macht mir überhaupt nichts aus, weil wir sie nie angestrebt haben. Für mich geht Gesundheit immer vor Wachstum. Wir mögen Nummer 2 oder Nummer 15 werden, wir sind ein Immobilienunternehmen, das in der nächsten Generation erhalten bleiben soll.

Wie sollen die Hotels als Produkt weiterentwickelt werden? Über Living Moments?

Ja, obwohl das kein Claim bei uns ist, und wir selbst noch nicht final wissen, was daraus weiter wachsen wird. „Living Moments“ ist so sehr als Unternehmenskultur aus uns heraus entstanden, weil wir es schon lange leben. Die CI „Living Moments“ hält uns mit unseren verschiedenen Häusern zusammen.

Inwiefern wird das Renovierungsprogramm Häuser fortgesetzt? Wird das Frankfurter Lobby-Konzept integriert?

Derzeit ist geplant, dass wir in den nächsten zwei Jahren alle Häuser aus den 1980er und 1990er Jahren in puncto Zimmer und zum Teil Lobby renoviert haben werden. Danach folgt die Generation 2000. Das Frankfurter Lobby-Konzept werden wir auch dort umsetzen, wo der Apartmentanteil stärker nachgefragt wird, demnächst im Olympiapark. Aber uns ist klar: Das Living Hotel am Deutschen Museum wird nie so sein wie das De Medici. Vielmehr gibt es eine De Medici-Art von Living Moments und eine des Hotels am Deutschen Museum, und trotzdem sind beide vergleichbar, sie fühlen sich sogar gleich an. 

Was sind für Sie heute die USPs der Living Hotels in einer immer bunteren Betreiberwelt?

In erster Linie das Hotel als Bühne für Living Moments. Living Moments sind unser entscheidendes Gefühl und unser USP. Aber natürlich könnte ich auch für viele Häuser das Design nennen, den modularen Service-Setzkasten, die Buchungs- und Stornotools, Green Globe-Zertifizierung, Persönlichkeitsentfaltungsprogramme für Mitarbeiter und natürlich die Bestlagen, die künftig im Verdrängungswettbewerb entscheidend sein werden. Unternehmen, die nur an zwei, drei Standorten hängen, werden nicht nachhaltig bestehen können.

Welche weiteren Märkte sind interessant?

Im Moment würde ich in Deutschland nur spezielle Grundstücke kaufen. Interessant sind Länder, die unter Umständen etwas risikoreich aussehen, aber umso mehr kommen könnten, z. B. Frankreich, Italien, die USA in einigen Bereichen, UK und Skandinavien.

Was war Ihr größtes Learning in den letzten 38 Jahren Living Hotels?

The Trend is not your friend. Und Gleichmut: Man sollte wissen, wo man hinwill, aber sich nie festlegen wie. Denn man muss immer wieder Gelegenheiten ergreifen oder sie bewusst auslassen. Wer zu viel macht, wird zu statisch und raubt sich die Möglichkeiten. Aber das Ganze bei gesundem Wachstum, gerade jetzt mehr denn je.

Betreiberprofil: Derag Livinghotels

Gründungsjahr, Eintritt in Deutschland: 1982
Anzahl der Serviced-Apartment-Einheiten: 3.200 (weltweit), 2.800 (in Deutschland, davon 1.840 mit Kitchenette)
Anzahl der Objekte: 17
Aktuelle Standorte: 8
Geplante Objekte: Hamburg (ca. 80 Einheiten)
Betriebstyp/Konzeption: Aparthotel
Servicegrad: Full Service
Größe der Einheiten: 20 - ca. 150 m²
USP: Bestlagen, Living Moments, Experience für Gast und Mitarbeiter, individuelle Apartments mit Sondertypen (Maisonette, Galerie, Balkon bzw. Terrasse/Gartenanteil), Services (24 Stunden, Einkauf, Firmenkundenflexibilität, modulare Tools), Green-Globe-Zertifizierung

Living Hotel am Olympiapark München © Living Hotels

Living Hotel am Olympiapark München © Living Hotels

Schlafbereich eines Serviced Apartments der Living Hotels © Living Hotels

Living Hotel in Frankfurt © Living Hotels

Küche in einem Serviced Apartment der Living Hotels © Living Hotels

Living Hotel in Frankfurt © Living Hotels