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„Chancen und Risiken werden anders eingeschätzt“

Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie bisher auf den Transaktionsmarkt für das Temporäre Wohnen? Union Investment hat mit Savills und Adina Hotels eine Befragung zum Investmentmarkt Temporäres Wohnen durchgeführt. Wir sprachen mit Henrik von Bothmer und Alexander Trappiel, beide Investment Manager Micro-Living bei Union Investment.

links: Alexander Trappiel, rechts: Henrik von Bothmer © Union Investment Real Estate/Simone Scardovelli

links: Alexander Trappiel, rechts: Henrik von Bothmer © Union Investment Real Estate/Simone Scardovelli

Herr von Bothmer, der Markt für Temporäres Wohnen ist noch fest im Griff der Corona-Pandemie. Wie reagieren Investoren darauf?

Henrik von Bothmer: Die Chancen und insbesondere die Risiken dieser Asset-Klasse werden inzwischen anders eingeschätzt. In den vergangenen Jahren ging es stets nur bergauf. Die Corona-Pandemie hat aber deutlich die Anfälligkeiten des Segments aufgezeigt und den Aufschwung vorerst gestoppt. Gute Standortqualitäten und nachhaltige Businesspläne bekommen darum wieder einen höheren Stellenwert bei der Analyse möglicher Investments. Denn die Mieten werden mit Blick auf die Auslastung Corona-bedingt unter Druck geraten. Schließlich haben viele Mieter, beziehungsweise bei Studenten oftmals deren Eltern, aufgrund der Pandemie weniger Budget für die Wohnkosten zur Verfügung und werden preissensibler. Auch die Reisekostenbudgets der Unternehmen sind geschrumpft. Gleichzeitig steigt der Konkurrenzdruck aufgrund der zunehmenden Anzahl fertiggestellter Apartmentangebote. Für ein erfolgreiches Investment heißt das, dass der Standort gut sein muss und die Mieten beziehungsweise Pachten auch bei einem höheren Angebot immer noch nachhaltig erzielbar sein müssen.

Vom Temporären Wohnen für Young Professionals über Studentenzimmer bis hin zu Serviced Apartments für Geschäftsreisende – die Asset-Klasse ist sehr vielfältig. Welches Segment kommt am besten durch die Pandemie?

Alexander Trappiel: Grundsätzlich gilt: Je weniger Fluktuation und länger die Aufenthaltsdauer, desto stabiler ist die Auslastung und desto resilienter das Segment. Das Beherbergungssegment leidet entsprechend am stärksten unter der Pandemie, wobei sich Serviced Apartments aufgrund der Ausrichtung auf Langzeitgäste noch deutlich besser schlagen als die klassische Hotellerie. Aufgrund der semesterweisen Vermietung, den Reisebeschränkungen für ausländische Studierende und des digitalen Sommersemesters sind Studentenapartments ebenfalls in stärkerem Maße betroffen. Mikrowohnungen für Young Professionals und Pendler kommen am stabilsten durch die Krise.

Wie ist Ihr Ausblick? 

Henrik von Bothmer: Der Trend hin zur Asset-Klasse Micro-Living ist langfristig intakt. Ich sehe insbesondere zwei große Treiber des Marktes: Eine steigende Zahl an Studenten und immer mehr Pendler. Nach Krisen sind die Studentenzahlen bisher immer gestiegen. Beispielsweise wird oft nach dem ersten Abschluss kein Job gefunden, weshalb sich viele gleich für eine Weiterqualifikation, etwa einen Master, entscheiden. Insgesamt erwarten wir aufgrund der Pandemie eine deutlich steigende Attraktivität des Studienstandortes Deutschland bei ausländischen Studierenden – zusätzlich zu der ohnehin erwarteten steigenden Zahl der Studierenden im Zuge des Brexits. Das Arbeiten im Homeoffice ist durch die Pandemie zudem mit einem Schlag zur Selbstverständlichkeit geworden. Das macht das derzeit oftmals als attraktiv empfundene Wohnen im Grünen zunehmend möglich. Für die zwei, drei Tage im Büro brauchen viele dann aber doch eine Bleibe in der Großstadt. Gleichzeitig dürfte es aufgrund der drohenden Rezession grundsätzlich schwieriger werden, überhaupt einen Job zu finden, weshalb der Radius der Jobsuche vergrößert und das Pendeln eher in Kauf genommen werden muss.